Ich habe schon öfter unter Fotos Diskussionen über das Für und Wider von Bildbearbeitung gelesen. Oftmals spalten sich dabei zwei Lager. Die eine Gruppe ist überzeugt von der digitalen Bildbearbeitung, die andere Gruppe lehnt sie ab. Begründet wird die Ablehnung meist damit, dass die Bildbearbeitung ein Foto verfälschen würde und ein Originalbild natürlicher wäre. Größtenteils kommt diese Kritik von Menschen, die sich mit der Bildbearbeitung und ihren Möglichkeiten und Grenzen noch gar nicht richtig auseinander gesetzt haben. Das finde ich immer ein bisschen schade!
Mir liegt dieses Diskussionsthema sehr am Herzen, deshalb möchte ich gerne meine Gedanken dazu formulieren.
Viele Fotografen fotografieren nicht im JP(E)G-Format (dass die meisten Smartphones und Kompaktkameras unterstützen), sondern im RAW-Format. Ich fotografiere gleichzeitig in beiden Formaten. Ich finde es angenehmer, meine Fotos im JPG-Format am heimischen Rechner anzuschauen und nach „gelungen“ und „misslungen“ zu sortieren. Anschließend ENTWICKLE ich aber in 99% der Fälle die dazugehörige RAW-Datei des Bildes weiter zu einem JPG-Bild. Nur ganz selten mache ich eine Ausnahme: Wenn es schnell gehen muss, oder es nicht so sehr auf die Bildqualität ankommt.
Wo wir schon beim ersten Stichwort wären: Ich ENTWICKLE die RAW-Datei. Beim JPG-Format werden die Bildinformationen von ganz allein von der kamerainternen Software zu einem anschaubaren Foto entwickelt. Manche Bildinformationen, die die Kamera als nicht wichtig erachtet, gehen dabei allerdings verloren. In einer RAW-Datei findet diese Entwicklung nicht in der Kamera statt. Die Bildinformationen werden allumfassend von der Kamera gespeichert und die Entwicklung macht der Fotograf dann anschließend am PC. Das ist so in etwa wie wenn man einen Film in der Dunkelkammer belichtet. Man hat also als „RAW-Knipser“ viel mehr eigene Einflussmöglichkeiten, ein Foto auch so zu bearbeiten, wie man die Situation selbst im Moment der Bildentstehung wahrgenommen hat.
Da sind wir beim nächsten Punkt: Ein originales JPG-Bild ist NICHT automatisch natürlicher, als ein bearbeitetes Foto. Dies kann man an meinem Vergleichsfoto sehr gut sehen.

Oben ist die vollkommen unbearbeitete Originaldatei im JPG-Format. Was ist passiert? Die Kamera führt EINE Belichtung und Bearbeitung durch, die sich in diesem Fall an der Sonne orientiert. Die Sonne ist korrekt belichtet, die dunkleren Bildteile verschwinden im Dunkel. Hätte ich meine Einstellungen an der Kamera so gewählt, dass die Straße korrekt belichtet wird, wäre die Sonne überbelichtet gewesen und der Himmel wäre viel zu hell erschienen. Da eine RAW-Datei viel mehr Bildinformationen beinhaltet als eine JPG-Datei, lässt sich mit Hilfe der digitalen Bildbearbeitung im Nachhinein noch das ein oder andere Detail – in diesem Fall die Straße – optimieren. Das untere Bild und nicht die Originaldatei erscheint also natürlicher, weil es viel besser den menschlichen Sehfähigkeiten entspricht. Die Kamera „sieht“ also quasi anders, als das menschliche Auge.
Ich kann zwar auch ein JPG-Foto noch nachbearbeiten, da in diesem Format aber nicht alle Bildinformationen von der Kamera gespeichert werden, gelingt die Optimierung meist nicht so gut, wie bei der Bearbeitung einer RAW-Datei. Eine vollkommen fehlbelichtete und/oder unscharfe RAW-Datei lässt sich allerdings auch mit allen Mitteln der Bildbearbeitung nicht mehr retten! Deshalb sollte man natürlich versuchen, sein Foto trotz nachträglicher Verbesserungsmöglichkeiten schon während der Aufnahme so gut wie möglich zu machen.
Obwohl ich gerne farbenfrohe Bilder mag, sind meine Fotos auch nicht zwangsweise kräftiger gefärbt, als die Originaldateien. Auch das kann man gut am Vergleichsfoto sehen. Das Orange um die Sonne ist im JPG kräftiger, als in der bearbeiteten Version. Im unteren Bild ist das Farbspektrum natürlich aufgrund der „Nachbelichtung“ höher.
Ich habe Dir die Vor- und Nachteile der einzelnen Bildformate notiert. Sie haben natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
Vorteile JPEG
- die kamerainterne Bildkompression und -Bearbeitung macht die Vorarbeit
- JPEGs benötigen weniger Speicherplatz
- man kann sie mit vielen Programmen anschauen
- die Nachbearbeitung geht schneller
Nachteile JPEG
- die Kamera speichert weniger Bildinformationen und selektiert vor – die Nachbearbeitung hat deshalb seine Grenzen
- Die Kamera „sieht“ anders, als das menschliche Auge
Vorteile RAW
- der Fotograf hat durch die umfassend gespeicherten Bildinformationen mehr Möglichkeiten in der Nachbearbeitung, wie zum Beispiel Belichtungskorrektur und Weißabgleich
- der Fotograf kann seinen eigenen Stil und seine eigene Sichtweise besser herausarbeiten
Nachteile RAW
- die Speicherdaten sind umfangreicher, ein größerer Speicherplatz wird benötigt
- RAWs werden von vielen Bildanzeigeprogrammen nicht unterstützt, man benötigt „speziellere“ Software
- RAWs MUSS man entwickeln und nachbearbeiten. Das kostet Zeit
Fazit
Viele Fotografen fotografieren im RAW-Format. Da die Ansicht dieser Dateien von den meisten Internetanwendungen, Druckanbietern usw. nicht unterstützt wird, ist eine nachträgliche digitale Bildentwicklung und -bearbeitung nicht nur vom Fotografen gewünscht, sondern sogar zwingend notwendig. Im Rahmen der Bildentwicklung wird eine Bildoptimierung angestrebt, bei der die kamerainterne Bearbeitungssoftware nicht mithalten kann. Zudem kann der Fotograf in seine Bildbearbeitung einfliessen lassen, was er subjektiv während der Aufnahme gesehen und/oder empfunden hat.
WIE er seine Fotos bearbeitet, das heißt welchen Stil er hat, was ihm wichtig ist usw. ist dann wieder ein ganz anderes Diskussionsthema und hängt neben seinem Geschmack auch noch von seiner Persönlichkeit, seinem Wissensstand, seiner Hard- und Software und vielen anderen Faktoren ab.
Noch eine abschließende Bemerkung zum Thema „Bild fälschen“ bzw. „Bildmanipulation“: Obwohl ich (noch) kein Photoshop benutze, sondern andere Programme, führe ich bei meinen Fotos manchmal auch eine Retusche durch. Das können zum Beispiel störende Strommasten sein die ich verschwinden lasse, oder Staubkörner und welke Pflanzenteile bei meinen Nahaufnahmen. Ich bin ja kein Dokumentarfotograf – ich darf das 
! Über meine Art der Bildbearbeitung habe ich schon einmal einen Artikel geschrieben.
Möchtest Du öfter mal ein vorher-nachher-Foto sehen?
Wie stehst Du zur Bildbearbeitung und welches Format nutzt Du? Gerne kannst Du mir Deine Meinung zum Thema in die Kommentare schreiben, oder Fragen stellen.
PS: Das hier ist übrigens mein 100. Beitrag auf diesem Blog. Juhu!