ABC-Etüden

Über Alice bin ich heute über eine vortreffliche Aktion gestolpert. Sie nimmt mit ihrem neuesten Blogbeitrag an den sogenannten ABC-Etüden teil. Das Wort „Etüde“ habe ich zuletzt vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren gehört. Ich lernte Querflöte. Mein Übungsheft beinhaltete Etüden, die ich brav jede Woche zu spielen lernte. Oder auch nicht.

Kurz erklärt geht es darum, dass man zu drei vorgegebenen Wörtern einen Text schreibt. Der darf höchstens dreihundert Wörter lang sein. Ich liebe Challenges und war sofort Feuer und Flamme.

Und Tada: hier ist er, mein erster Etüdentext!


Tante Magda

Müde schaute Sarah auf. Ihre Augen brannten. Ihr Magen knurrte und ihre Kehle fühlte sich trocken an. Sarah hatte den gesamten Abend über genäht. Ihre Augen streiften den Kalender an der Wand. Der 12.01. war gerade eine Stunde alt. „Tante Magda!“, schoss es ihr durch den Kopf und für den Bruchteil einer Sekunde fühlte sie, wie ihr Herz kurz stehen zu blieben schien. Auf einen Schlag fühlte sich Sarah wieder hellwach. Tante Magda, an deren Nähmaschine Sarah saß, hatte am Vortag Geburtstag gehabt.

Scheiße. Vergessen! Ausgerechnet den Geburtstag von Tante Magda! Ein unverzeihlicher Fehler. Tante Magda mochte zwar großzügig sein. Aber sie war ebenso nachtragend und verlangte von Sarah Dankbarkeit für ihre Spendabilität. Sie hatte Tante Magda so viel zu verdanken. Was hätte sie nur ohne sie gemacht? Vor anderthalb Jahren saß Sarah weinend in ihrer Stube. Damals hatte sie gerade ihr Engagement als Schauspielerin verloren. Sie war Mitglied einer Gruppe, die sich auf Krimidinner spezialisiert hatte und dank der Pandemie waren Auftritte unmöglich geworden. „Du könntest Stoffmasken nähen. Ich schenke dir meine Nähmaschine“, hatte Tante Magda gesagt und ihr zeitgleich eine beachtliche Summe Startkapital für Garn und Stoffe über den zerkratzten Couchtisch geschoben. Das war ihre Rettung! Es war kein Hoffnungsschimmer in ihrer Lage, sondern ein ganzes Hoffnungsleuchten gewesen. Nach dem Verbot der sogenannten Communitymasken änderte Sarah kurzerhand ihr Angebot und nähte nun Kinderkleidung.

Wie sollte sie es je wieder gut machen, dass sie den Geburtstag ihrer Gönnerin vergessen hatte? Sie musste sich etwas einfallen lassen. Und zwar schnell…


Die vorgegebenen Wörter waren Hoffnungsschimmer, unverzeihlich und nähen. Findest du sie?

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17 Gedanken zu “ABC-Etüden

  1. Hi Steffi, herzlich willkommen bei den Etüden und den zugehörigen Etüden-Verrückten! 😉 (Manche ziehen es vor, sich anders zu bezeichnen, ja, aber wer über mehrere Jahre bei den Etüden mitschreibt, der trägt das als Ehrentitel … ;-)) Schön, dass du über Alice die Etüden und mich gefunden hast, und danke für deine Einstiegsetüde, die mir gut gefällt und mich hoffen lässt, dass du Blut geleckt hast und weiter mitschreiben möchtest! 😀
    Du darfst gern mehrere Etüden pro Durchgang schreiben, falls du möchtest, du darfst meine Illustrationen verwenden (dafür mache ich sie), du hast alles richtig gemacht und du darfst gerne bei uns allen vorbeikommen und gucken … 😀
    Wenn irgendwas an Fragen ist, immer gern her damit zu mir! Deine erste Assoziation war schon mal richtig: Etüden sind Fingerübungen, und der Etüdenerfinder (der nicht mehr bloggt, ich habe das Projekt von ihm quasi vererbt bekommen), hat sie als „kleine Form“ und wirklich als eine Art Schreibübung erdacht. Am Anfang haben wir mit 10 Sätzen geschrieben, das ist auch eine Kunst für sich …
    Herzliche Abendgrüße gen Osten! 😁🌧️☕🍪👍

    Gefällt 2 Personen

  2. Ich erinnere mich, dass einige, die viel und begeistert nähen und darüber bloggen, zu Beginn der Pandemie haufenweise solche Masken genäht haben. Ob sie das inzwischen immer noch tun oder auf Kleidung umgestiegen sind, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

    Deine Etüde über Tante Magda hat mir auch unter dem Gesichtspunkt, dass ich mit dem Nähen wieder anfangen möchte bzw. angefangen habe, gut gefallen.

    Gefällt 1 Person

  3. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 03.04.22 | Wortspende von Stachelbeermond | Irgendwas ist immer

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