Digitales Leben – Sucht oder Reichtum?

Nóirín Lyra vom Blog yvprysm.blogspot.com rief zu einer Blogparade auf, die ein spannendes Thema hat: die digitale Medien- und social media Nutzung. Sie stellt in ihrem Einleitungsbeitrag viele interessante Fragen, über die es sich nachzudenken lohnt. Ich habe mir zu einem Teil dieser Fragen ein paar Gedanken gemacht.

Ist die Suche nach digitaler Anerkennung in Form von Likes und Kommentaren eine Sucht? Sind wir so darauf fixiert, dass wir unser reales Leben danach ausrichten, ob eine Unternehmung oder ein Verhalten von uns „postbar“ ist?

Trinken wir beispielsweise lieber einen selbst gemachten Smoothie, als uns einen Burger einzuschmeißen, weil gesundes Essen trendy ist?

Passen wir unseren Fotografie-/Koch- und Ernährungsstil etc. der neuesten Mode an, in der Hoffnung, das bringt uns mehr Likes bei facebook und instagram?

Was haben wir überhaupt von dieser Form der Anerkennung?

Schauen wir uns einmal die Bedürfnispyramide von Maslow an. Dies ist ein Modell, wie der Mensch zufrieden wird. Nach was strebt er, um sich bestmöglich zu entwickeln? Ganz unten an der Basis sind Grundbedürfnisse. Sicherheit, Nahrung und so weiter. Erst wenn ein Mensch diese einfachen, aber überlebenswichtigen Dinge befriedigen kann, erwächst in ihm der dringende Wunsch nach nachgeordneten Bedürfnissen im oberen Teil der Pyramide.

Wir leben zum Glück in einem sicheren Land ohne Hunger und Krieg. Unsere Grundbedürfnisse sind also befriedigt. Deshalb ist es uns wichtig, uns selbst verwirklichen zu können, Erfolg zu haben und Anerkennung von unseren Mitmenschen zu bekommen. Wir sind ja soziale Wesen, die gerne beliebt und geschätzt werden möchten.

Einer Mutter im Kriegsgebiet wäre es wahrscheinlich wichtiger, etwas zu essen für ihre Familie zu finden, anstatt das neueste Rezept auf ihrem Blog zu teilen.

Meine These zum Thema „digitale Sucht nach Anerkennung“

Auch vor dem Zeitalter des Internets ging es uns materiell und gesellschaftlich nicht sonderlich schlecht. Unsere Grundbedürfnisse waren in der jüngeren Geschichte befriedigt. Sicherlich gab es in den Wendejahren und danach Unsicherheiten und eine höhere Arbeitslosigkeit. Trotzdem musste man nicht verhungern.

Auch damals schon freute man sich über Anerkennung. Die erhielt man aber nicht im Internet, sondern offline. Sitzt man heute bequem am Laptop und vergleicht seine Followerzahl mit der von anderen Usern, so maß man sich früher beim Skatabend am Stammtisch, im Kegelverein, oder in der Rassekaninchenzucht.

Durch den einfachen Zugang zum Internet lässt sich Anerkennung bequemer und einfacher generieren als früher. Es findet also meiner Meinung nach nur eine Verlagerung statt. Zudem erreicht man heute über das Internet mehr Menschen wie damals. Regionale Schranken verschwinden. Es wird uns auch leichter gemacht, uns zu vergleichen. Benötigte man in der Vergangenheit einen Linienrichter oder eine Jury, so zählt man heute ganz einfach Likes. Dass man diese manipulieren kann und in den Algorithmus der diversen social media Communitys kaum eingreifen kann, vergisst man dabei leider.

Mit der künstlichen Verknappung durch die Reichweitenbeschränkung wird sogar Geld verdient. Man zahlt eine Summe, um mehr Menschen zu erreichen und dadurch potentiell mehr Anerkennung zu bekommen. Ein ganzer Wirtschaftszweig lebt auf Kosten unserer Gier nach Likes und Followern. Ich habe übrigens noch nie die Bezahlfunktion bei facebook und co genutzt.

Meine Einstellung zum Thema digitale Anerkennung

Ich liebe Likes und Kommentare. Ich nehme auch häufig das Handy zur Hand, um zu schauen, „ob sich wieder was getan hat“. Wenn mir die digitale Anerkennung nichts bedeuten würde, könnte ich diesen Blog privat führen und für die Außenwelt unsichtbar machen. Ich nutze facebook, instagram, flickr und pinterest, um durch das Teilen meiner Fotos möglichst viele Menschen zu erreichen.

ABER: Ich lasse mich von diesen Plattformen nicht übermäßig beeinflussen. Es gibt zum Beispiel Empfehlungen für die besten Postingzeiten. Diese variieren auch noch von Community zu Community. Wenn man beispielsweise abends bei Facebook einen Beitrag hochläd, sehen ihn mehr User, als wenn man ihn mittags zeigt. Logisch. Abends sind einfach mehr Besucher online, weil viele mittags auf Arbeit sind.

Dieses Theater mache ich nicht mit. Wenn bei mir nachts ein Blogbeitrag fertig wird, lade ich ihn auch hoch. Basta!

Ich habe schon seit Monaten um die 200 Follower bei instagram. Es werden nicht mehr. Na und? Es stört mich nicht. Ich müsste „instagramkonformer“ posten, um dort meine Reichweite weiter auszubauen. Es wir geraten, einen einheitlichen Feed zu gestalten. Den erreicht man, wenn man alle Fotos farblich aufeinander abstimmt. Aber meine Fotos sind nun einmal kunterbunt und quer durch den Gemüsegarten. Ich müsste mich verbiegen, um eine Vereinheitlichung zu erreichen. Will ich das? NEIN!

Wer sich für meine Beiträge wirklich interessiert, wird sie auch finden.

…Natürlich freue ich mich, wenn das viele Menschen tun. Und mir ist schon klar, dass ein breites Streuen meiner Beiträge auch zu einer hohen Sichtbarkeit und damit zu neuen potentiellen Lesern und Followern führt. Aber ich möchte mich nicht zu sehr von den einzelnen Social Media Plattformen abhängig machen, oder gar meine Art der Fotografie und Bearbeitung davon beeinflussen lassen.

Als ich damals mit dem Rauchen aufgehört habe, tat ich dies, weil ich mir nicht mehr von den Glimmstengeln mein Leben diktieren lassen wollte:

  • Wie oft lief ich trotz Kälte auf den Balkon, um noch eine Zigarette zu rauchen? -Obwohl ich dabei fror?
  • Wie oft geriet ich fast in Panik, als meine Zigarettenschachtel Sonntag Abend alle war und ich auch kein Kleingeld für den Automaten fand? -Um dann noch einmal zur Tankstelle zu fahren?

Das wollte ich nicht mehr!

Wir sind sowieso schon von so vielen extrinsischen Faktoren (Chef, Deadline, Einkommen…), also Dingen von außen beinflusst. Da muss man sich doch nicht noch freiwillig von Drogen oder eben social Media abhängig machen lassen, oder?

Kann Social Media zur Sucht werden?

Vielleicht sollte ich erst einmal nachschauen, wie man Sucht überhaupt definiert. Laut Wikipedia kommt für unseren Fall eine substanzungebundene Abhängigkeit in Frage:

„Als substanzungebundene Abhängigkeit bezeichnen Psychologie und Psychotherapie jene Formen psychischer Zwänge und Abhängigkeiten, die nicht an die Einnahme von psychoaktiven Substanzen (wie z. B. Alkohol, Nikotin oder anderer Drogen) gebunden sind.

Sie ist durch wiederholte Handlungen ohne vernünftige Motivation gekennzeichnet, die nicht kontrolliert werden können und die meist die Interessen des betroffenen Patienten oder anderer Menschen schädigen. Betroffene berichten von impulshaftem Verhalten. Die Abhängigkeit kann die Lebensführung beherrschen und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führen.“

Zweifelsohne gibt es eine Computerspielsucht, bei der die Betroffenen den Kontakt zur realen Welt verlieren. Sie vernachlässigen ihre Arbeit, ihre Familie und sich selbst, um pausenlos vor dem PC zu sitzen.

Meiner Meinung nach kann das bei social media deutlich schwerer geschehen. Man benötigt nämlich reale Geschichten und Erlebnisse, die man digital weitergeben kann. Bestenfalls macht man sogar reale Dinge, die einem gut tun, um damit Anerkennung zu bekommen. Ich denke da zum Beispiel an eine gesunde Lebensweise, Reisen, Naturschutz, Bücherrezensionen etc.. All diese Themen sind derzeit trendy. Idealer Inhalt, um damit likes zu sammeln. Ich weiß natürlich, dass in derlei Beiträgen auch viele Dinge „geschönt“ werden. Trotzdem bewegt es bestimmt den einen oder anderen zum Überdenken seines Lebensstils. Das Internet gilt nicht umsonst in Bloggerkreisen als Impulsgeber und Inspirationsquelle.

Apropos Bücher! Würde man einen Vielleser als süchtig benennen? Lesen gilt als positiv. Man spricht also liebevoll von Bücherwürmern und Leseeulen. Und was macht man im Internet? Richtig! Man schreibt und liest!

Nichtdestotrotz ist es natürlich wichtig, seine social Media Gewohnheiten zu reflektieren. Tut mir gut, was ich da mache? Wie fühle ich mich, wenn ich mal nichts zu posten habe? Habe ich auch genügend echte Freunde, oder vernachlässige ich meine realen Pflichten? Inwieweit lasse ich mich von Social Media beeinflussen?

Fazit

Früher schrieb man Tagebuch. Heute lässt man die Außenwelt an seinem Leben teilnehmen. Für mich bedeutet das digitale Leben einen immateriellen Reichtum. Es gibt genügend Menschen (Influencer und Coaches z.B.), die aus social media sogar finanziellen Reichtum ziehen. Ich gehöre nicht dazu.

Das Internet ermöglicht es uns, Anerkennung zu erhalten. Jeder Mensch freut sich über ein Lob. Er strebt sogar danach, denn es macht ihn zufrieden. Diese positive Aufmerksamkeit ist mein Reichtum. Dafür danke ich Dir als Leser!

Da das digitale Leben durch Content (Inhalt) aus dem real life gespeist wird, ist die Suchtgefahr meiner Meinung nach nicht so hoch, wie bei anderen Drogen. Man kann sich weniger leicht darin „verlieren“, wie beispielsweise beim Computerspiel. Trotzdem ist ein wenig Vorsicht nicht verkehrt. Man sollte überlegen, welchen Stellenwert social media im Leben einnimmt und ob einem das Ganze noch gut tut.

Vielleicht sollte man sich auch überlegen, ob man Anerkennung nicht auch offline bekommen kann? Zum Beispiel durch ein Ehrenamt?

Wie stehst Du zu social media? Stimmst Du meinen Gedanken zu, oder hast Du eine ganz andere Meinung? Lass es mich gerne wissen! Ich finde das Thema nämlich sehr spannend und vielschichtig. Vielleicht magst Du auch an der oben verlinkten Blogparade teilnehmen?

Mein Blogfoto habe ich übrigens farblich in Anlehnung des Ausgangsbeitrags gestaltet. Ich liebe die Motivideen und Farbkombinationen von Nóirín Lyra.

14 Gedanken zu “Digitales Leben – Sucht oder Reichtum?

  1. Ich stimme dir zu: ich schaue auch oft nach, ob es ein Like oder einen Kommentar auf dem Blog gab, aber ich poste auch dann, wenn es mir passt. Meistens morgens, weil ich vor der Arbeit am Rechner sitze und Zeit habe, (und konzentriert genug bin) nach Rechtschreibfehlern zu suchen.

    Ich mache mir keinen Druck, dass ich unbedingt so und so oft was schreiben und hochladen muss. Ich hatte auch schon 2 Monate ohne Beitrag und das hat nicht geschadet. Wenn ich keine Lust habe, merkt man das meinen Texten an und das bringt es nicht.
    Qualität vor Quantität.

    Es grüßt
    DieReiseEule

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  2. Bin auch deiner Meinung. Ich habe noch nie für einen Beitrag bezahlt. Ich fordere auch keine Anderen auf, meine Seite zu liken. Ich freue mich natürlich wenn jemanden meine Bilder gefallen, sie ein Like oder sogar einen Kommentar dazuschreiben. Aber meine Bilder mache ich hauptsächlich für mich und richte mich daher auch nicht nach irgendeiner In-Strömung.
    Liebe Grüße
    Walter

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  3. Ewald Sindt

    Es geht nichts über das wirkliche Leben, Socialmedia soll mir Spaß machen, nicht in Arbeit ausarten. Wenn ich etwas zu posten habe, tue ich es zu einer mir genehmen Zeit und nicht wenn möglichst viele online sind. Bin nur hier und bei Instagram vertreten und auch da poste ich „wild“ durcheinander.
    Ich will Spaß haben und freue mich über jeden Like, ärgere mich aber auch etwas, wenn nichts zurückkommt. Den Followern gebe ich eine Schonfrist und dann lösche ich sie. Man muss nicht jeden Beitrag und jedes Foto mögen, aber wenn ich jemandem folge, doch dann, wenn der größte Teil seiner Beiträge mir zusagt und dann wird auch geliket und oft kommentiert. 😊
    In diesem Sinne, alles Liebe.
    Lieben Gruß, Ewald

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  4. twistheadcats

    Wirklich ein spannendes Thema für eine Blogparade. Toller Beitrag und interessante Gedanken.
    Ich weiß nicht, vielleicht liegt es daran, dass ich nicht in einer Zeit aufgewachsen bin, in der Social Media omnipräsent war, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich mich nicht über meine virtuellen Tätigkeiten definiere oder gar meine Anerkennung von dort beziehe. Natürlich teile ich meine Beiträge und möchte Menschen erreichen und freue ich über Feedback. Aber all das ist in keinster Weise vergleichbar mit der Anerkennung, die ich von Freunden und Familie bekomme. Diese ist wertvoll für mich und nicht die von Personen, welche ich nicht persönlich kenne. Das hat auch den Vorteil, dass beispielsweise Hater mich ebensowenig persönlich treffen können. Für andere ist virtuelle Kritik gleich Grund zur Verzweiflung.

    Liebe Grüße, Kay.
    http://www.twistheadcats.com

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      1. twistheadcats

        Haha nein bisher noch nicht, aber ich bin überzeugt, dass das früher oder später so sein wird! 😉 Aber auch im real life ist es nicht viel anders. Jemand der mir nicht nahe steht, kann mich auch nicht verletzen. 🙂

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      2. twistheadcats

        Wirklich? Hätte ich nicht gedacht. Introvertiert bin ich ja auch, aber ich habe ein sehr dickes Fell. Ich kann dir gerne etwas davon abgeben 😀

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